In diesem Beitrag geht es um Väter, die von ihren Kindern getrennt leben. Und natürlich ist der Artikel einseitig, indem er beschreibt, wie getrennt lebende Vaterschaft glücken kann. Beginnen wir mit einem Beispiel:
Herr M. lebt seit 10 Wochen von seiner Frau und seinen zwei Söhnen Tobias, 9 J. und Niklas, 7 J. getrennt. Das 2 Zimmerappartement in dem er nun wohnt, ist ihm noch fremd; er vermisst das Haus, den Garten. Er kommt von der Arbeit zurück und fühlt sich einsam. Abends beschleicht ihn dann das Gefühl, in der Ehe und als Familienvater versagt zu haben und seinen Söhnen mit der Trennung wehgetan zu haben. Der Krach ums Geld und die Besuchszeiten ist im vollen Gang. Oft denkt Herr M. daran, einfach alles hinzuschmeissen, sich einfach nicht mehr blicken zu lassen, sich in die Arbeit und eine neue Beziehung zu stürzen oder nur gelegentlich seine Söhne zu sehen und dann mit tollen Unternehmungen und Geschenken zu glänzen, damit er ihre Trauer nicht so mitkriegt.
Nahezu die Hälfte aller Väter brechen den Kontakt zu ihren – oft noch sehr kleinen – Kindern ab. Eine entscheidende Rolle spielt dabei, ob Väter den Kontakt zu ihren Kindern halten, die Beantwortung der Frage ob sie schon vor der Trennung eine eigenständige Beziehung zu ihrem Kind hatten. Das heisst, ob sie an gemeinsame und verbindende Punkte und Erlebnisse anknüpfen können. Damit sind keine grossen Aktionen, sondern kleine, alltägliche Momente von Intimität gemeint: Das Erzählen und Kuscheln beim zu Bett bringen, ein gemeinsames Spiel, das regelmässige Abholen vom Sport und unterwegs vom Tag erzählen usw. Gibt es diese gemeinsam erlebten Momente nicht, bedeutet es eine schwierige, doch nicht unmögliche Arbeit, diese Verbindungen miteinander neu zu entwickeln.
Wie sieht es 6 Monate später in unserem Beispiel von Herrn M. aus: Das Abholen und Bringen ist für Herrn M. immer noch schwierig. Wieder vor dem Haus zu stehen, seine Ex-Frau zu treffen und möglicherweise führen sich die Kinder wieder völlig daneben auf. Beim Abholen, wenn die Buben dann im Auto sitzen, sind sie meistens ganz einsilbig. Hat er etwas falsch gemacht? Was macht er, wenn sie nächstes Mal gar nicht mehr kommen wollen? Doch die Buben erzählen inzwischen wieder mehr von sich, ihren Sorgen und Freuden zu Hause und in der Schule. Er hört ihnen gerne zu und redet mit ihnen darüber. Am meisten freut es ihn, wenn sie zusammen ausgelassen herum tollen und lachen. Als Niklas an einem Wochende "Heimweh nach Mama" hatte, liess er sich von ihm trösten und alles ging gut. Aber ratlos war Herr M., wie er die Frage von Tobias beantworten sollte: Warum er nicht zurückkommt und warum sie sich überhaupt getrennt hätten. Seine Antwort, dass sie sich halt nicht mehr liebten und nur noch gestritten hätten, konterte Tobias damit, dass sie sich halt vertragen müssten, das müsse er in der Schule auch. Recht hatte er, aber ihm als Vater fiel nichts mehr dazu ein. Trotzdem lachten sie zusammen, als er sagte, dass Erwachsene da wohl oft dümmer wären als Kinder.
Der grösste Stolperstein ist, alles richtig machen zu wollen. Aus dem Schuldgefühl heraus „Ich habe meinem Kind mit der Trennung wehgetan“, ist man zu vielem bereit. Je grösser dieser Druck ist, desto höher ist die Gefahr der Enttäuschung und des Gefühls des Scheiterns. Daraus folgt nicht selten der totale Abbruch der Kontakte zu den Kindern. Kinder möchten für ihr eigenes Selbstwertgefühl wissen, dass sie eine gute Familie haben und dass es beiden Eltern gut gehen wird. Entscheidend ist schliesslich, dass Kinder beide Eltern lieben und ihnen ihre Liebe zeigen können. Das gilt übrigens für alle Kinder und deren Wohlergehen, ob die Eltern getrennt sind oder nicht. Ebenso wichtig ist allen Kindern die Frage, wie viel an Zeit und Zuwendung sie dem jeweiligen Elternteil wert sind.
Welches Kind in Familien, die zusammenleben, hat regelmässig seinen Vater alleine zum Reden und zum Spielen? Leben unsere Familien nicht weiterhin in der Mehrzahl so, dass die Mutter die Familie organisiert und der Vater sich lediglich in den Ablauf mit einplanen lässt? Welches Kind kann von sich sagen, dass es den Vater den ganzen Sonntag für sich hat?
Zum Schluss noch einmal zu unserem Beispiel 3 Jahre später: Herr M. lebt seit einem Jahr mit seiner neuen Lebenspartnerin zusammen. Nachdem die erste Beziehung schnell in die Brüche gagangen war und die beiden Buben darauf iritiert und eifersüchtig reagiert hatten, ist er es diesmal langsamer angegangen. Er achtet auch darauf, Zeit mit seinen Söhnen alleine ohne seine Freundin zu haben. Manchmal stellt er erfreut fest, dass so ein Wochenende ein richtiger Luxus für ihn wie für die Buben ist. Neulich wollte Tobias erstmals nicht am Wochenende mit ihm zu den Grosseltern fahren, was er früher immer gerne mochte. Er wollte zu einer Party mit Kollegen und dort auch übernachten. Ein leises Bedauern über das Ende der Kindertage aber auch Stolz auf das Grosswerden seines Ältesten mischen sich bei Herrn M. Er erinnert sich an die vergangenen Jahre und plötzlich realisiert er: Er ist einer der wichtigsten Menschen im Leben seiner Kinder und ihre Zukunft hängt auch von ihm ab und welchen Platz er seinen Kindern in seinem Herzen gibt.