Unsere LEBEN-Ausgabe zum Thema »Mütter« vom 6. Mai haben kontroverse Reaktionen ausgelöst: Kann es zu viel Mutter geben? Hier eine Auswahl
Ich denke, ein großes Problem für heutige Mütter resultiert daraus, dass die Frauenbewegung sich zu wenig um die Frage nach der Frau als Mutter gekümmert hat. Als Ergebnis haben wir Frauen heute die Möglichkeit, gleichberechtigt mit den Männern in der Öffentlichkeit zu agieren, aber immer noch innerhalb männlich geprägter Strukturen in Politik und Wirtschaft. Sicher: Uns wurde der Weg ins öffentliche Leben geebnet, aber wenn ich als Frau im Beruf bestehen und Erfolg haben will, dann muss ich das nach Spielregeln tun, die eine männliche Tradition vorher festgelegt hat. Die Frauenbewegung hat viel erreicht, aber sie hat es versäumt, grundsätzlich darüber nachzudenken, welche Strukturen vorhanden sein müssen, damit Frauen – mit und ohne Kinder – gut leben und arbeiten können. An dieser Stelle besteht noch viel Nachholbedarf, denn ich sehe die Gleichberechtigung der Frau nicht allein damit erfüllt, dass wir gleich viel und unter den gleichen Bedingungen schuften dürfen wie die Männer. Damit wurde vielleicht Weiblichkeit in die Öffentlichkeit gebracht, doch es wurde nichts nach dieser Weiblichkeit – zumal der mütterlichen – ausgerichtet. Petra Leukert, Potsdam
Es ist mal wieder so weit. Pünktlich zum »Muttertag« kümmert sich auch die ZEIT um das Thema Mütter. Ich verhehle nicht, die Artikel mit Neugier und Interesse gelesen zu haben. Was aber blieb, war Frust – und eine Menge Wut im Bauch. Ich bin Jahrgang 1946, berufstätig geblieben nach der Geburt von drei Kindern in den siebziger Jahren. Kinderbetreuung damals? Eine Teilzeitstelle, ein engagierter Ehemann, der auch das Kochen beherrschte, eine private Kinderfrau, mit der wir uns das Auto teilten, Kindergartenzeiten von 8 bis 12 Uhr, eine 15-jährige Schülerin aus der Nachbarschaft, die immer einsprang, wenn es mal brannte – oft ein Drahtseilakt! Ach ja, fast hätte ich sie vergessen! Eine wirklich patente Schwiegermutter, die in Krankheitszeiten der Kinder oder Eltern den rettenden Engel spielte. Damals trat ich in die SPD ein und träumte davon, diese Gesellschaft ein wenig kinder- und mütterfreundlicher zu machen. Ich stellte mir vor, dass meine beiden Töchter als Mütter auf Kinderkrippen und Kindergärten würden zurückgreifen können; dass mein Sohn sich mit seiner zukünftigen Frau die nervenaufreibende Diskussion würde sparen können: Wer geht auf »halbe Stelle«?
Was blieb von diesem Traum? Nichts! Meines Wissens verzichtet auch Ihr Verlag – als Prophet so vieler gut gemeinten Botschaften für ein neues Mütterbild – auf einen betriebsinternen Kindergarten. Falls das immer noch so ist, halte ich das für einen Skandal! Nun bin ich gespannt, ob dieser Brief – und wenn ja, mit welchen »Teilbotschaften« – veröffentlicht wird. Edeltraud Schumacher-Gerdes, Unna
1000 Dank für die vielen Zeilen, die mir aus dem Herzen sprechen! Dafür lasse ich doch gerne in meinem Zeitfenster, das ich habe, wenn die Kleine ihren Vormittagsschlaf macht und die Große noch im Kindergarten ist, die ungebügelte Wäsche und das ungeputzte Bad links liegen und tu mal was ganz für mich alleine – schmunzle vor mich hin und fühle mich hinterher gut als Mutter! Kerstin Sommer, Herzogenaurach
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Fussball Zu schwach für Europa » Die Beiträge, so unterschiedlich sie sein mochten, zeigten vor allem eins: Muttersein in Deutschland bedeutet, eine Sonderrolle zu übernehmen, sich entweder damit zu übernehmen oder sich als etwas Besonderes herauszunehmen. Und auch dies: Sich ausnehmen zu lassen durch einen öffentlichen Anspruch, der eine freie Entscheidung gar nicht erst zulässt. Aus sämtlichen Beiträgen spricht doch ein gewaltiger Rechtfertigungsdruck – sei es der der berufstätigen Mutter Susanne Mayer, die bindungstheoretische Studien in den Müll kehrt, sei es der der kinderlos gebliebenen Frau, die sich nun als Sündenbock der Nation versteht und Mitleid erwartet, das vielleicht sogar angebracht wäre, aber nicht vor dem Hintergrund der mitleidheischenden Selbstdarstellung. Einzig der Beitrag einer Nur-Mutter fehlte – bedauerlicher-, aber verständlicherweise. Denn die sitzt ja nicht am Schreibtisch, sondern liest mit einem lachenden und einem weinenden Auge, mit welch harten Bandagen an der (Redaktions-)Front gekämpft wird. Nebenbei bemerkt: Vielleicht hätten wir in Deutschland nicht so viele verhaltensgestörte Kinder (im Jahr 1970 nur jedes 30. Kind, heute jedes fünfte), wenn sich nicht so viele Mütter aufplusterten und professionell Gedanken über ihre Mutterrolle, sondern einfach ihren Job machen würden? Birgitta vom Lehn, Lilienthal
Glückwunsch zum wohltuend moralinfreien Mütter-Spezial! Es spiegelt das Hin- und Hergerissensein moderner, junger, gut ausgebildeter Frauen zwischen Ausbildung, Beruf, Kinder, Haushalt und Partner wider, ohne eine bestimmte Entscheidung oder Verteilung der Energien von vornherein zu favorisieren. Schade nur, dass Sie die Leistungen und Entbehrungen allein und/oder in materieller Not erziehender Mütter kaum würdigen. Ute Linder, Lörrach
Ich wurde mit gerade 21 Jahren Mutter. Obwohl ich gerade nach einer guten Ausbildung einen Traumjob gefunden hatte und umgezogen war, gab es für mich nie die Frage, ob ich so jung Mutter werden sollte oder lieber doch nicht, um erst einmal Karriere zu machen. Auch ich erlebte das erste Jahr als gleichsam erfüllend, aber nicht ausfüllend. Die Finanzen, die Krisen in einer jungen Partnerschaft, das berufliche Abgeschobensein nach dem Elternjahr und auch die Müttergruppe, die sich durch Vorbereitungskurse, Beckenbodengymnastik, Pekip, Musikstunden und regelmäßige wöchentliche Treffs bis heute erhalten hat, mit allen aufgeführten, haarfein geschilderten Details der gegenseitigen Beobachtung, Verachtung, Bewunderung, Verbundenheit. Gesichert ist auch der Spaß, wenn die heute fast 24-jährige Mutter auf die Klettergerüste klettert und sich über »Weit-über-30-Bio-Übermütter« kaputtlacht, die mit Absatzschuhen unter dem Abenteuerspielgerüst stehen und ängstlich rufen: »Marie-Luise, Schatz, geh bitte nicht zu hoch!« Sandra Kusche, Leipzig
Freiheit und Fehler
Christiane Grefe: »Es ist halt passiert« – aus dem Seelenleben einer Kinderlosen in Zeiten der Demografie-Debatte
Vielen, vielen Dank für Ihren wunderbar geschriebenen Beitrag. Ihr Artikel ermutigt kinderlose Frauen und Mütter (wie mich, zwei Töchter), zu ihren komplizierten, widersprüchlichen Gefühlen zu stehen und ehrlicher miteinander umzugehen. Bravo, mehr davon! Martina Sabra, Köln
»Es ist halt passiert.« Damit hätten Sie Ihre Erklärung/Argumentation/Rechtfertigung nicht nur beginnen, sondern sie darauf auch beschränken sollen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie sich die Lebensläufe, »Umstände« und »Begründungen« gleichen und am Ende in Wohlgefälligkeit auflösen. Mag tatsächlich sein, dass Sie irgendwann einmal Kinder wollten, mag aber ebenso sein, dass Sie glauben, irgendwann einmal Kinder gewollt zu haben. Rasmo Abellart, per E-Mail
Von der Kompliziertheit der Kinderlosigkeit lenkt das Klischee ab, schreibt Frau Grefe. Wie richtig! Dabei müssten es die Spatzen von den Dächern pfeifen und die Soziologen dazu, dass ein Leben ohne Kinder-Segen (!) fast nie geplant wird und schon gar nicht aus selbstsüchtigen Motiven heraus. Man forsche doch nur einmal in seinem Bekanntenkreis nach: Ich habe nur eine einzige Frau gefunden, die sich bewusst gegen Kinder entschieden hat. Alle anderen tragen ihr individuelles Schicksal und versuchen, das Beste daraus zu machen. Ein Schicksal, das übrigens in allen Kulturen und zu allen Zeiten den Betroffenen sehr viel abverlangt hat – wer glaubt, wir seien anno 2004 schon weiter, der irrt. Leider. Eva Busse, Warschau
Ich möchte Ihnen für Ihren einfühlsamen Beitrag danken. Sie haben sich laut Ihrem Artikel in jeder Situation genau anders entschieden, als ich es getan habe (ich habe zwei Kinder nach maximalem Einsatz der modernen Medizin). Aber diese Entscheidungsfreiheit und eventuell auch die Freiheit, dabei einen Fehler zu machen, dürfen wir Frauen uns nicht von der Gesellschaft und vor allem wie auch immer gearteten Männerbünden nehmen lassen. Wir, Mütter und Nichtmütter, Berufstätige und Erziehung und Hausarbeit Leistende dürfen uns nicht spalten lassen und sollten uns unterstützen. Jutta Giesecke, per E-mail
Mutterinstinkte
Ilka Piepgras: »Büro & Klammern« – ein Appell an die Frauen, etwas mehr Abstand zur traditionellen deutschen Mutterrolle einzunehmen
Zu Ihrem Artikel ist mir ein Ausspruch meiner Mutter eingefallen: Sie hat gesagt, sie hätte nicht Kinder in die Welt gesetzt, um sie von anderen aufziehen zu lassen. Sie wollte nie irgendwann nach Hause kommen und feststellen müssen, dass ihre Kinder groß geworden und ausgezogen sind, ohne die Zeit davor aktiv mit ihnen verbracht zu haben. Und wissen Sie was? Ich bin ihr unendlich dankbar dafür. Christina Panek, per E-mail
Über zwei Bemerkungen in dem Artikel habe ich mich aufrichtig gefreut, denn ich halte sie für grundlegend. Es ist wohl leider wahr, dass Emanzipation am Erfolg im Beruf gemessen wird. Obwohl doch jedem nach kurzem Nachdenken klar sein müsste, dass dann lediglich eine klitzekleine Minderheit das Prädikat »emanzipiert« tragen könnte. Und außerdem: Was ist beruflicher Erfolg? Mir ist es jedenfalls egal, ob ich in den Augen der anderen emanzipiert bin oder nicht. Ich mache, was ich für richtig halte. Auch mit drei Kindern und einem Mann! Denn mit denen lebe ich nicht zusammen, um mich selbst aufzugeben, sondern weil ich sie für eine Bereicherung meines Lebens halte. Da stehe ich zu meinen tierischen/weiblichen/mütterlichen Instinkten. Ellen Gause, Walsrode
Der Artikel hat mich sehr geärgert. Als studierte Frau (Filmwissenschaftlerin) und dreifache Mutter kenne ich die verschiedenen Formen der Zerrissenheit, kenne Schuldgefühle und Perfektionsansprüche bestens, egal, ob ich mich für Beruf oder Familie oder beides entscheide. Doch anstatt die Frau zu stärken und zu motivieren, laden Frau Piepgras’ Text gleichermaßen wie der dumme Mutter-Test der Frau noch mehr Komplexe auf, indem sie bekräftigen, dass ein »Nur-Mutter-Dasein« konservativ, einseitig und minderwertig sei und ein einziger Kampf mit den Kindern. Doch: Ist die Mutter, die ihr Dasein ernst nimmt, wirklich so schädlich? Ist es nicht Luxus, Aufgabe und sogar Erfüllung, auch einmal nur »Familienmanagerin« zu sein? Nur weil wir an unsere Freiheits- und Emanzipationsgeschichte der 68er gebunden sind und uns die Gesellschaft suggeriert, dass wir mindestens das Ideal der attraktiven, fürsorglichen, sportlich-fitten Mutter, Haus- und Berufsfrau vereinen können müssen, ist dieses neue Ideal noch lange nicht anstrebenswert. Es gilt, etwas bescheidener zu werden und sein Glück, wenn es einmal da ist, als solches zu empfinden (warum können es nicht die eigenen Kinder und die gemeinsam mit dem Mann überstandenen Nichtdurchschlafphasen sein?). Es gilt, sich von der Emanzipation zu emanzipieren. Andrea Keil, Lübeck
Ich bin 20 und lebe seit zehn Monaten als Au-pair in England. Es ist hier gesellschaftlich durchaus anerkannt, als Mutter Hilfe zu haben und arbeiten zu gehen. Kinder gehen auf Ganztagsschulen oder Internate, und niemand hat deswegen ein schlechtes Gewissen oder wird als Rabenmutter geächtet. Ich habe mein Abitur, werde von September an in England an die Uni gehen und möchte nach all diesen Studienjahren eine Karriere – und irgendwann auch Kinder. Meine Au-pair-Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich nicht zur Hausfrau geboren bin, und ich weiß jetzt schon, dass ich als Mutter Ganztagsschulen/Internate nutzen werde. Schuldgefühle lasse ich mir deswegen von niemandem einreden. Auch als Mutter hat man ein Recht auf ein eigenes Leben. Melanie Kiefer, Mayfield, Großbritannien
Rollen und Konflikte
Henning Sußebach: »Sieben Mütterkarrieren« – sieben Frauen in einem Geburtsvorbereitungskurs
Ich war von der Leben-Spezialausgabe recht angetan. In dem Artikel »Sieben Mütterkarrieren« stolperte ich aber über folgenden Satz, bezogen auf eine Mutter mit 20-Stunden-Stelle: »Nach Abzug der zusätzlichen Kindergartenkosten bleibt zwar nicht viel vom Gehalt, aber egal.« Könnte mir ein schlauer Mensch mal erklären, warum die Kinderbetreuungskosten immer mit den mütterlichen Einkünften verrechnet werden? Maike Lück, Berlin
Als Familienvater von drei Kindern (8 bis 13 Jahre) hat Henning Sußebach mir und meiner Frau in seinem Artikel so richtig aus der Seele gesprochen. Es ist wohl wirklich so, dass weder Statistiken noch Straßenumfragen, noch abgehobene Philosophien den wahren Zerreißproben, aber auch Freuden, einer heutigen Familie gerecht werden. So interessant und vielleicht gerechtfertigt das Hinterfragen der Zukurzgekommenen in dieser Kleinzelle »Familie« zu sein scheint, so elitär kommt es uns oft vor. Familien und Menschen mit wirklichen Problemen (Arbeitslosigkeit, Geldprobleme, Kinderlosigkeit, Krankheit und Tod) müssten solche Diskussionen so manches mal befremden.
Gleichwohl waren auch wir bei der Frage einer anspruchsgeladenen Rollenverteilung von Frau und Mann nach der Geburt der Kinder klüger als vorher. Es gibt so viel Theorie und so wenig einfache Antworten. Es sind die individuellen, unverwechselbaren Einzelsituationen, die Sußebach in all der Zerrissenheit so unspektakulär beschreibt. Josef und Susanne Ingenerf, Stockelsdorf
Ich bin unglaublich verärgert über diesen Bericht – hier wird eine Rollenverteilung zementiert, nicht nur durch den Inhalt des Artikels, sondern auch, weil er von einem Mann geschrieben wurde. Dr. Christiane Fraz, per E-mail