Paare wünschen sich Kinder - notfalls mithilfe einer Samenspende. Manchmal raten Psychologen ab
Manche Paare würden das Gespräch mit ihr lieber vermeiden. Sie seien nervös wie vor einer Prüfung, sagt Sabine Kirsch, psychologische Beraterin in einer Spezialpraxis für Reproduktionsmedizin in Hamburg-Altona. Dort suchen im Jahr etwa 150 Ehepaare mit unerfülltem Kinderwunsch Hilfe. In ganz Deutschland sind es zwei- bis dreitausend jedes Jahr, und ihre Zahl steigt.
Bevor die Frau sich mit dem Samen eines Spenders behandeln lassen kann, müssen sie und ihr Mann ein ausführliches Gespräch mit der Psychologin führen. Die Beratung dauert drei Stunden und soll sowohl den Ärzten als auch dem Paar selbst darüber Aufschluss geben, ob es den seelischen Belastungen gewachsen sein wird. "Ich rede erst allein mit der Frau, mit dem Mann und dann mit beiden zusammen", sagt Kirsch. Zur Sprache kommen dabei - neben der besonderen Situation, dass der Ehemann nicht der biologische Vater des Babys sein wird - auch die Hoffnungen, Wünsche und Vorstellungen, die das Paar mit einem Kind verbindet.
Niemand muss sich für seinen Kinderwunsch rechtfertigen, betont die Therapeutin. "Er gehört zum Menschsein dazu und ist oft rational gar nicht erfassbar. Zwei, die sich lieben, wollen diese Liebe auch in etwas Drittem ausdrücken - so einfach ist das, und so ähnlich sagen das auch die meisten." Sie sehnen sich nach einer fundamentalen Bindung in ihrem Leben, sie wollen sich einreihen in die Folge der Generationen und im Alter nicht allein sein.
Aber Sabine Kirsch versucht herauszufinden, ob der Wunsch nach einem Kind tatsächlich beiden Partnern gemeinsam ist. Sie fragt, wie sich die Beziehung und daraus dann der Gedanke an ein Baby entwickelt habe. Normalerweise stößt sie dabei auf "ihre" und auf "seine" Wahrheit, die sich durchaus nicht decken müssen: Oft wirkt die Frau entschiedener als der Mann, weil sie sich mehr unter Zeitdruck fühlt und sich lange schon mit der Vorstellung, Mutter zu werden, auseinander gesetzt hat.
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Fussball Zu schwach für Europa » Manchmal aber offenbart sich gerade in den Einzelgesprächen eine tiefer gehende Uneinigkeit. Zum Beispiel, wenn sich herausstellt, dass der Mann schon in zwei früheren Beziehungen erfolglos versucht hat, Vater zu werden, und sich inzwischen für ein Leben mit Kind zu alt fühlt. Zur Behandlung ist er zunächst mitgekommen, um seine junge Frau nicht zu kränken; in Wahrheit aber hat er selbst mit dem Wunsch nach Kindern längst abgeschlossen.
"So ein zu großes Ungleichgewicht kann den beiden bis dahin verborgen geblieben sein, weil sie ängstlich vermieden haben, an den wunden Punkt zu rühren", sagt Kirsch. In ihrem Gutachten wird sie diesem Paar von einer Fremdsamenbehandlung abraten.
Ebenfalls ablehnend äußert sie sich, "wenn die Familiendynamik aus den Herkunftsfamilien zu stark hineinwirkt in die Persönlichkeit der Frau oder des Mannes". Sie erinnert sich an eine Klientin, deren Kontakt zu den eigenen Eltern schon seit über zehn Jahren abgerissen war und die darunter noch immer sehr litt. Das heiß ersehnte Kind, so kam im Gespräch langsam zutage, sollte den Riss wieder kitten, also von vornherein einem bestimmten Zweck dienen. "Wer selbst noch so verwickelt ist in die eigene tragische Kindheitsgeschichte, wird selten gut für ein Baby sorgen können." Die Therapeutin empfiehlt dann, zu warten und zunächst die Familienprobleme zu klären. "Die Leere im Bauch kann ein Kind nicht füllen", sagt sie.
Und auch einem anderen Paar, mit dem sie erst vor kurzem gesprochen hat, konnte Kirsch aus psychologischer Sicht nicht zustimmen: Der 70-jährige Vater des Ehemannes sollte idealerweise den Samen zur Befruchtung seiner Schwiegertochter liefern; dann bleibe das Ganze doch in der Familie. Niemand sah als Problem, dass der Mann zugleich einen Bruder (eine Schwester) und einen Sohn (eine Tochter) bekommen hätte. "Da entsteht eine hoch brisante Mischung verschiedener Gefühlsebenen, die hochgehen kann wie ein Pulverfass!", warnt Sabine Kirsch. Auch einen guten Freund oder gar den Geschäftspartner hält sie als Spender für völlig ungeeignet, weil das ungeahnte Abhängigkeiten schafft. "Der Samenspender muss anonym bleiben. Die Leute kommen sonst in Teufels Küche."