Hartz 4 - ALG 2: aktuelle Gerichtsurteile
Hier finden Sie aktuelle Gerichtsurteile aus dem Bereich Hartz 4/ALG II. Bite beachten Sie, dass diese Urteilssammlung nicht vollständig ist und viele Urteile nicht einfach auf andere Fälle/Situationen übertragen werden können. Bundessozialgericht: Auto bis 7.500 Euro o.k. Das Bundessozialgericht hat in einigen Grundsatzentscheidungen im September 2007 die Grundleistungen für Langzeitarbeitslose weiter präzisiert. Danach dürfen Hartz-IV-Empfänger u.a. einen gebrauchten Mittelklassewagen im Wert von maximal 7.500 Euro besitzen (statt wie bisher im Wert von max. 5.000 Euro; siehe Az.: B 14/7b AS 66/06 R). ALG 2- Empfänger muss Auto selbst zahlen Geringverdiener, die Arbeitslosengeld II beziehen, können nicht erwarten, dass die Arbeitsagentur sie bei der Finanzierung ihres Autos unterstützt. Zins- und Tilgungsraten für ein Kfz-Darlehen seien nicht vom Einkommen absetzbar, hat das Landessozialgericht Darmstadt entschieden.
Im konkreten Fall hatte der Kläger einen Job unterhalb der Sozialversicherungsgrenze, seinen Lebensunterhalt stockte er mit ALG II auf. Jeden Monat musste er Raten in Höhe von 140 Euro für ein Auto tilgen. Er verlangte nun, die Arbeitsagentur solle diese Raten bei der Berechnung seines Arbeitslosengeldes berücksichtigen. Hätte man die Raten auf das monatliche Einkommen angerechnet, wäre der Leistungsanspruch höher gewesen. Behörde und Sozialgerichte lehnten den Antrag ab. Der Kläger könne nur die allen Erwerbstätigen zustehende Entfernungspauschale für Fahrten von und zum Arbeitsplatz geltend machen. Zinslasten würden nur ausnahmsweise übernommen (AZ: L 9 AS 213/06 ER).
Quelle: FAZ v. 19.01.2007 Mietminderung wegen Hartz-IV-Besuchern Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass Qualität und Quantität des Besucherverkehrs von Mitmietern als Mangel im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses bewertet werden können, und hat deshalb einem Mieter von exklusiven Büroräumen 15 Prozent Mietminderung zugestanden.
Der Grund: Nachdem in dem Bürokomplex zunächst eine Versicherungsgruppe, eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei und eine Arztpraxis Räume angemietet hatten, kam später die Agentur für Arbeit sowie eine Suchtberatungs- und eine Schuldnerberatungsstelle mit täglich bis zu 500 Besuchern hinzu.
Das führte unter anderem dazu, dass die elektronische Zugangskontrolle nicht mehr funktionierte. Wörtlich heißt es in der Entscheidung der Stuttgarter Richter: „Zwar verkennt der Senat nicht, dass ein erheblicher Teil der Besucher dem Durchschnitt der Bevölkerung entspricht. Es können aber auch nicht die Augen davor verschlossen werden, dass sich unter den Besuchern der Hartz-IV-Abteilung, der Suchtberatungsstelle und der Schuldnerberatung ein überdurchschnittlicher Anteil von sozial auffällig gewordenen Personen befindet“ (Az.: 13 U 51/2006). Kein Verkauf der Eigentumswohnung Empfänger von Arbeitslosengeld II, die in einer Eigentumswohnung leben, müssen ihre eigenen vier Wände nicht immer auf Geheiß der Sozialbehörden verkaufen, wenn sie weiterhin Sozialgelder beziehen wollen.
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Behörden jedenfalls bis zu einer bestimmten Quadratmeterzahl die Eigentumswohnung als Schonvermögen zu respektieren haben. Der Fall betraf eine 1979 geborene ledige Klägerin, die in ihrer 75 qm großen 3-Zimmer-Eigentumswohnung lebte. Der beklagte Grundsicherungsträger lehnte den Antrag auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II unter Hinweis auf die Verwertbarkeit ihrer Eigentumswohnung ab. Anders die Kasseler Richter: Danach sind ausgehend von den Wohnflächengrenzen des § 39 Wohnungsbaugesetz Eigentumswohnungen nicht unangemessen groß, wenn die Wohnfläche bei einem Haushalt von vier Personen 120 qm nicht überschreitet (B 7b AS 2/05 R). Bundessozialgericht: Wohneigentum ist “Schonvermögen” Mit einem aktuellen Urteil erschwerte das BSG jetzt den Zugriff der Arbeitsgemeinschaften auf Eigentumswohnungen und Häuser. Danach ist für ein oder zwei Personen eine Eigentumswohnung von 80 und ein Eigenheim von 90 Quadratmetern als "Schonvermögen" geschützt und muss von den Arbeitslosen deshalb nicht verkauft werden. Für jede weitere Person kommen 20 Quadratmeter hinzu (AZ: B 7b AS 2/05 R) >>>Als PDF zum Speichern oder Drucken>> Bundessozialgericht: Angemessenheit der Miete Im zweiten Fall stritt eine arbeitslose Mutter mit vier Kindern aus Niedersachsen über die Kosten ihrer Wohnung. Mit 580 Euro bewilligte die Arbeitsgemeinschaft nur einen Teil der Miete. Dabei stützte sie sich auf die bundesweit einheitlichen Wohngeldtabellen. Doch das ist nicht zulässig, urteilte das BSG. Es folgte damit der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Sozialhilfe. Den Kommunen gaben die Kasseler Richter auf, eigene Maßstäbe für die Angemessenheit einer Wohnung zu entwickeln, die den örtlichen Gegebenheiten besser entsprechen.
Dabei müsse nur "das Produkt" aus Größe und Quadratmeterpreis stimmen, betonte das BSG. Es gab damit den Arbeitslosen einen gewissen Spielraum bei der Wohnungssuche. So können Arbeitslose beispielsweise auch eine Wohnung mit leicht gehobener Ausstattung wählen, wenn sie sich dafür bei der Größe entsprechend einschränken. Weiter entschied das BSG, dass Arbeitslose in der Regel nicht in einen anderen Ort umziehen müssen, um die Wohnungskosten zu senken (AZ: B 7b AS 18/06 R). >>>Als PDF zum Speichern oder Drucken>> Bundessozialgericht: Hilfen für Geschiedene Nach Ansicht des obersten deutschen Sozialgerichts seien Hilfen für getrennt lebende Arbeitslosengeld-II-Empfänger "aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich".
Die Hartz-IV-Reform trat Anfang 2005 in Kraft. Für viele Arbeitslose ersetzt seitdem das Arbeitslosengeld II die Sozialhilfe. Während Sozialhilfeempfänger aber in besonderen Lebenslagen einen Zuschlag zum Regelsatz bekommen können, ist dies beim Arbeitslosengeld II nicht vorgesehen. Dagegen klagte vor dem BSG ein arbeitsloser und geschiedener Vater aus Duisburg. Er machte geltend, die die aus Arbeitsagentur und Kommune gebildete Arbeitsgemeinschaft müsse für die Fahrt- und Verpflegungskosten aufkommen, die durch regelmäßige Besuche seiner beiden im niederrheinischen Rees bei der Mutter lebenden Töchter entstehen.
Das BSG stimmte ihm unter Hinweis auf das Grundgesetz zu. Weil das Gesetz einen Zuschlag zum Regelsatz von monatlich 345 Euro nicht zulasse, müsse in solchen Fällen eine "Bedarfsgemeinschaft auf Zeit" möglich sein. Danach werden die minderjährigen Kinder für ihre Besuchstage dem Haushalt des Vaters zugerechnet. Vertreter verschiedener Arbeitsgemeinschaften verwiesen am Rande der Verhandlung auf den hohen Verwaltungsaufwand einer solchen Regelung. Der Gesetzgeber habe dies aber offenbar "so gewollt", erklärten die Kasseler Richter. Über die weit höheren Fahrtkosten soll nun das Sozialgericht Duisburg neu verhandeln (AZ B 7b AS 14/06 R) >>>Als PDF zum Speichern oder Drucken>> Sozialhilfe: Eigenheimzulage zählt als Einkommen Die einem Sozialhilfeempfänger bewilligte und ausgezahlte Eigenheimzulage stellt Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts dar.
Die Klägerin eines vor dem LSG anhängig gewesenen Verfahrens ist voll erwerbsgemindert. Zwar wurden ihr von dem in Anspruch genommenen Landkreis Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung bewilligt, bei der Berechnung der Leistungen wurde jedoch die Eigenheimzulage als bedarfsminderndes Einkommen berücksichtigt.
Hiergegen ging die Klägerin mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor und verlangte, dass ihr die Grundsicherung ohne Anrechnung der Eigenheimzulage gewährt wird. Die Eigenheimzulage sei ein Zuschuss zum Erwerb von Haus- und Wohnungseigentum. Das Geld stehe ihr auch nicht zur Verfügung, weil sie den Anspruch an ihre Bank abgetreten habe.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag unter Hinweis auf eine Entscheidung des BVerwG ab.
Diese Entscheidung hat das LSG jetzt bestätigt.
Der Anrechnung der Eigenheimzulage steht nicht entgegen, dass diese aus Anlass des Erwerbs von selbstgenutztem Wohneigentum gezahlt wird. Das Gesetz sieht vor, dass Leistungen, die zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur eingeschränkt angerechnet werden.
Ein solcher Fall liegt jedoch bei der Eigenheimzulage nicht vor. Diese wird ohne jeden Verwendungsnachweis und unabhängig davon gewährt, ob sie tatsächlich zur Finanzierung des Eigenheims verwandt wird.
Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Anspruch auf die Eigenheimzulage an die Bank abgetreten ist. Sozialhilfe wird immer nur nachrangig gewährt. Das bedeutet, dass der Hilfeempfänger vorrangig verpflichtet ist, vorhandenes Einkommen zur Behebung der Notlage zu verwenden. Vermögensdispositionen, die in Kenntnis der gegenwärtigen Notlage getroffen werden, können nicht berücksichtigt werden.
LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.05.2006 - L 3 ER 50/06 SO -- Pressemitteilung des LSG Rheinland-Pfalz v. 06.06.2006 ALG II: Hausbesitzer haben Anspruch auf Übernahme von Unterhaltskosten Geklagt hatte ein Ehepaar, dem ein Einfamilienhaus mit etwa 91 qm Wohnfläche gehört, das noch mit beträchtlichen Krediten finanziert wird. Die für das Arbeitslosengeld II zuständige Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung hatte bis zum Juni 2005 auch die Finanzierungskosten sowie die Betriebs- und Nebenkosten für das Haus als Teil des ALG II gezahlt.
Ab Juli 2005 wurde dann der Zahlbetrag erheblich gesenkt, weil jetzt nur noch die Kosten für eine (fiktive) 65qm- Mietwohnung gezahlt wurden. Mit ihrer Klage haben die Betroffenen die vollständige Übernahme sowohl der Finanzierungs- als auch der Unterhaltskosten des Eigenheims als Teil des ALG II verlangt. Mit der Klage hatte das Ehepaar jetzt teilweise Erfolg.
In einem Grundsatzurteil hat das LSG Berlin-Brandenburg entschieden, dass das bisher gewährte ALG II für diesen Personenkreis zu niedrig bemessen ist. Die Richter verurteilten die Arbeitsgemeinschaft Grundsicherung zur Zahlung der tatsächlichen (vollen) Betriebs- und Nebenkosten.
Für die Finanzierungskosten gilt das aber nicht: Hier darf eine Vergleichsmiete in Ansatz gebracht werden. Alle diese Kriterien sind sowohl auf Häuser als auch auf Eigentumswohnungen anzuwenden.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das LSG die Revision zum BSG zugelassen.
LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.05.2006 - L 10 AS 103/06 -- PM des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.05.2006 ALG II: Wer Leistungsbetrag nicht prüft handelt grob fahrlässig Ein Arbeitsloser, der sich für die Höhe seiner Lohnersatzleistungen nicht interessiert, handelt grob fahrlässig und muss eventuell zu viel gezahltes Arbeitslosengeld zurückerstatten.
Im vorliegenden Fall war einem Handwerksmeister ein um mehr als 60% zu hohes Arbeitslosengeld bewilligt worden, obwohl er schon zuvor – korrekt berechnete – Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erhalten hatte. Der Arbeitslose hatte argumentiert, er sei nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dies ließ das LSG nicht gelten.
Da der Mann bereits Leistungen der Bundesagentur für Arbeit erhalten hatte, hätte ihm, so die Richter, eine Differenz von 80 Euro wöchentlich auffallen müssen.
Ein Arbeitsloser, der sich für die Höhe seiner Lohnersatzleistungen nicht interessiert, der die Bewilligungsbescheide der Bundesagentur nur abheftet, aber nicht sorgfältig liest, und der ungeprüft davon ausgeht, es werde schon alles stimmen, handelt grob fahrlässig.
Zur Sorgfaltspflicht von Leistungsempfängern gehört u.a. die Beachtung von Merkblättern, in denen das Verhältnis von Lohnersatzleistungen zum zuvor erzielten Arbeitsentgelt erklärt werde.
Es ist übrigens nicht glaubhaft, dass ein Handwerksmeister ein so „unterdurchschnittliches Interesse an seinem Einkommen“ hat, dass er nicht einmal die Höhe seines Arbeitslosengeldes prüft. Insofern ist das zu viel gezahlte Arbeitslosengeld zu erstatten.
Hess. LSG, Urt. v. 10.04.2006 - L 9 AL 163/05 -- PM des Hess. LSG Nr. 28/06 v. 16.05.2006 ALG II: Umzug trotz Mietvertrag mit langer Kündigungsfrist Empfänger von Grundsicherungsleistungen, die in zu teuren Wohnungen leben, müssen auch dann einen angemessenen Wohnraum suchen, wenn sie einen unbefristeten Mietvertrag unter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für einen langen Zeitraum abgeschlossen haben.
Im aktuellen Fall hatte ein Ehepaar eine 120 qm große und über 1200 Euro teure Doppelhaushälfte gemietet – für Hartz IV-Empfänger unangemessen groß und zu teuer. Im Mietvertrag war auf Wunsch des Ehepaars wechselseitig auf das Recht zur ordentlichen Kündigung für 10 Jahre verzichtet worden.
Die Bundesagentur für Arbeit übernahm die tatsächlichen Mietkosten für ein halbes Jahr, danach jedoch nur noch Unterkunftskosten in angemessener Höhe, in diesem Fall 450 Euro. Das Ehepaar machte dagegen einen über die angemessenen Unterkunftskosten hinausgehenden besonderen Bedarf geltend, weil das Recht zur ordentlichen Kündigung für zehn Jahre ausgeschlossen sei und somit bei Umzug die Gefahr bestehe, doppelte Miete zahlen zu müssen. Dem folgte das LSG nicht.
Hartz IV-Empfänger können nicht verlangen, dass aus öffentlichen Mitteln unangemessen hohe Mietkosten getragen werden, nur weil sie selbst das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen haben. Im Übrigen kann ein Mietverhältnis auch durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorzeitig beendet werden. Bei Benennung eines geeigneten Nachmieters ist der Vermieter u.U. verpflichtet, die bisherigen Mieter aus dem Vertrag zu entlassen.
Hess. LSG, Beschl. v. 28.03.2006 - L 7 AS 122/05 -- PM des Hess. LSG Nr. 25/06 v. 27.04.2006 ALG II: Sparguthaben muss verbraucht werden Guthaben auf Sparbüchern sind kein geschütztes Vermögen, das Arbeitslose nicht antasten müssen, wenn sie es für die Altersvorsorge eingeplant haben.
Im vorliegenden Fall hatte eine 50jährige Russlanddeutsche von September 1999 bis Oktober 2000 Arbeitslosenhilfe erhalten, weil sie gemeinsame Sparguthaben mit ihrem Ehemann in Höhe von mehr als 75.000 DM verschwiegen hatte. Sie argumentierte, dieses Sparvermögen sei für ihre Alterssicherung vorgesehen, sie habe es deshalb bei der Beantragung der Arbeitslosenhilfe nicht angegeben.
Sowohl das SG Marburg als auch das LSG verurteilten die Arbeitslose zur Rückzahlung unrechtmäßig erhaltener Arbeitslosenhilfe sowie der entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt mehr als 13.000 DM.
Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die subjektive Zweckbestimmung "Altersvorsorge" nicht ausreicht, sie muss vielmehr mit einer klaren Vermögensdisposition einhergehen. Dazu gehört beispielsweise eine strikte Reservierung des Vermögens für den Zweck der Alterssicherung wie etwa bei Kapitallebensversicherungen.
Das Sparbuch ist keine typische Anlageform für die Alterssicherung, gegen diesen Zweck sprechen auch verschiedene Abhebungen, die zwischen 1997und 2000 in unterschiedlicher Höhe vorgenommen worden sind.
Die freie Verfügbarkeit des Vermögens auf den Sparkonten, das Fehlen einer Vermögensdisposition zum Zwecke der Altersvorsorge, d.h. der Mangel einer strikten Reservierung für diesen Zweck sind ausreichende Hinweise dafür, dass das Sparbuch-Guthaben verwertbares Vermögen darstellt und daher aufzubrauchen war, bevor ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe entstehen konnte.
LSG Hessen, Urt. - L 9 AL 896/03 -- PM des LSG Hessen Nr. 07/06 v. 08.03.2006 ALG II: Berechnungsirrtum immer zu Lasten des Empfängers Wer zuviel Arbeitslosengeld erhält, muss dies, unabhängig davon, wen die Schuld für die Fehlberechnung trifft, zurückzahlen.
Im vorliegenden Fall hatte ein heute 46jähriger Mann aus Kassel dem Arbeitsamt gegenüber völlig korrekt eine Nebentätigkeit mit den zu erwartenden Einnahmen angegeben. Diese wurde jedoch bei der Berechnung und Bewilligung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt. Die tatsächlich erzielten Einnahmen des Mannes wurden nicht abgefragt. Als Folge dessen erhielt der Mann über Monate zu viel Arbeitslosengeld ausgezahlt.
Das Hess. LSG hat nun entschieden, dass das überhöhte Arbeitslosengeld auch dann zurückgezahlt werden muss, wenn die Fehlberechnung der Bundesagentur für Arbeit anzulasten ist.
Unabhängig davon, ob er den Irrtum des Arbeitsamtes hätte erkennen und aufklären müssen oder nicht, ist er zur Rückzahlung des überhöhten Arbeitslosengeldes verpflichtet. Denn jedes Nebeneinkommen, das nach der Bewilligung von Arbeitslosengeld erzielt wird, stellt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dar. Sie macht die unter anderen Bedingungen ergangene Bewilligung obsolet.
Hess. LSG, Urt. v. 10.04.2006 - L 9 AL 254/05 -- PM des Hess. LSG Nr. 21/06 v. 12.04.2006 ALG II: ungekürztes Arbeitslosengeld trotz Eigenheimzulage Langzeitarbeitslose sind auch im Monat der Auszahlung ihrer Eigenheimzulage hilfebedürftig, soweit ihre jährlichen Zinsaufwendungen für den Immobilienkredit die Höhe der Zulage erreichen.
Im vorliegenden Fall verwehrte die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) einem arbeitslosen Familienvaters im Monat der Auszahlung seiner Eigenheimzulage durch das Finanzamt die Gewährung von Arbeitslosengeld II (ALG II) wegen fehlender Bedürftigkeit.
Das SG Dortmund verurteilte die ARGE, das ALG II ungekürzt zu gewähren.
Die Eigenheimzulage dient dem Zweck der Bildung von Wohneigentum als Teil einer privaten Altersvorsorge. Die Beschränkung der Zulage auf Zeiten der Selbstnutzung des Eigenheims gewährleistet, dass nicht die Vermögensbildung, sondern die Schaffung von Wohnraum des Leistungsempfängers gefördert wird.
Der Kläger erbringt auch ohne Abtretung der Zulage an die das Haus finanzierende Bank den Nachweis einer zweckentsprechenden Verwendung der Eigenheimzulage, weil er Zinsen und Gebühren für den Immobilienkredit zu erbringen hat, die seine jährliche Eigenheimzulage i.H.v. 2045,- Euro übersteigen.
Es handelt sich um einen reinen Durchlaufposten, durch den der Kläger und seine Familie keinen Cent mehr zum Leben haben; somit gibt es keinen Grund, das ALG II zu kürzen, so das SG.
SG Dortmund, Urt. v. 09.03.2006 - S 27 AS 240/05 -- PM des SG Dortmund v. 12.04.2006 ALG II: Sozialbehörden dürfen nicht auf Kosten von Arbeitslosen streiten Sozialbehörden dürfen sich nicht auf Kosten von Arbeitslosen um Zuständigkeiten streiten. Bei strittiger Zuständigkeit muss die als erstes angesprochene Behörde vorläufig Geld zahlen oder sich unverzüglich um ein Weiterleiten des Antrags kümmern.
Ein 32jähriger Arbeitsloser war von seiner Kommune aufgefordert worden, sich um eine kostengünstigere Wohnung zu bemühen. Dies gelang, allerdings in einem anderen Landkreis als dem, in dem er bisher beheimatet war. Wegen der mit Abschluss des neuen Mietvertrages fälligen Kaution wandte sich der Betroffene an seine neue Kommune, die deren Gewährung jedoch ebenso ablehnte wie die alte – man schob sich gegenseitig den Schwarzen Peter "Zuständigkeit" zu.
Das SG Darmstadt hatte in erster Instanz die neue Heimatkommune des Arbeitslosen zur vorläufigen und darlehensweisen Gewährung der Mietkaution verpflichtet.
Als Begründung führte das Gericht an, derjenige Träger sei zur Leistung verpflichtet, in dessen örtlicher Zuständigkeit der Arbeitslose seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu dem Zeitpunkt habe, in dem der Hilfebedarf bestehe. Der Hilfebedarf in Bezug auf die Kaution sei mit Abschluss des neuen Mietvertrags am neuen Heimatort entstanden, insofern sei auch die neue Heimatkommune der zuständige Leistungsträger.
Das LSG schloss sich dieser Auffassung im Ergebnis an und präzisierte gleichzeitig die Pflichten der Sozialleistungsträger gegenüber hilfesuchenden Bürgern.
Der Gesetzgeber hat vermeiden wollen, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeit auf dem Rücken von Arbeitslosen ausgetragen werden. Ihnen sind derartige Konflikte zu ersparen. Daher ist im Sozialgesetzbuch I festgelegt, dass derjenige Träger, bei dem eine Leistung zuerst beantragt wurde, sich von selbst unverzüglich um die Weiterleitung kümmern oder auf Antrag vorläufig Sozialleistungen erbringen muss.
LSG Hessen, Beschl. - L 7 AS 18/06 ER -- PM des LSG Hessen Nr. 13/06 v. 21.03.2006 ALG II: Mercedes Benz nicht mehr angemessen Ein Mercedes Benz C-Klasse im Wert von 13.000 Euro ist nicht mehr angemessen, so dass ein Arbeitsloser diesen erst verkaufen muss, um Arbeitslosengeld II beanspruchen zu können.
Die 47-jährige arbeitslose Klägerin hatte bei der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Wesel Arbeitslosengeld II-Leistungen (ALG II) beantragt. Sie war Eigentümerin eines gut vier Jahre alten Mercedes C-Klasse. Der Wert des Fahrzeuges belief sich auf etwa 13.000 Euro. Die ARGE lehnte die Zahlung von ALG II mit der Begründung ab, die Klägerin müsse sich den Wert des Autos als Vermögen anrechnen lassen. Nicht zu berücksichtigen sei nach dem Gesetz nur ein angemessenes Kraftfahrzeug. Angemessen sei ein Auto lediglich bis zu einem Wert von 5.000 Euro. Die hiergegen erhobene Klage beim Sozialgericht Duisburg blieb erfolglos.
Nach der Entscheidung des Gerichts ist das Auto der Klägerin vorliegend nicht mehr als angemessen anzusehen, so dass sie es erst verkaufen muss, bevor sie ALG II-Leistungen in Anspruch nehmen kann. Folglich hat die ARGE Wesel der Arbeitslosen im Ergebnis zu Recht kein Alg-II gezahlt hat.
Die von der ARGE angesetzte starre Wertgrenze von 5.000 Euro existiert jedoch nicht. Es müssen immer die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. Entscheidend ist, zu welchem Preis ein zuverlässiges, wenig reparaturanfälliges, sicheres und täglich benutzbares Fahrzeug erworben werden kann. In dem Fall kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt im Bereich von 7.000 bis 7.500 Euro genügend Autos zur Verfügung stehen, die diese Anforderungen erfüllen. Der Pkw der Klägerin war deswegen nicht mehr angemessen und durfte daher von der ARGE mit dem überschießenden Betrag als Vermögen berücksichtigt werden.
SG Duisburg, Urt. v. 14.02.2006 - S 7 (32) AS 62/05 -- PM des SG Duisburg v. 16.03.2006 ALG II: höherwertiges Auto kann bei ALG II-Empfängern angerechnet werden Ein höherwertiges Mittelklasse-Autos kann bei einem Arbeitslosengeld-II-Empfänger als Vermögen angerechnet werden, da es dem Leistungsempfänger zumutbar ist dieses gegen ein preiswerteres Auto einzutauschen.
Das Aachener Sozialgericht wich mit seiner Entscheidung von der Linie anderer Gerichte ab. Nach dem Sozialgesetzbuch II ist ein "angemessenes Kraftfahrzeug" nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Was angemessen ist, hat der Gesetzgeber aber nicht definiert. Das Gericht sah es als zumutbar an, auf ein kleineres Auto umzusteigen
Ein Mann hatte gegen den Bescheid geklagt, wonach er keinen Leistungsanspruch hatte. Die Behörde hielt es für zumutbar, dass er von seinem Auto mit einem Marktwert von 14 500 Euro auf ein kleineres, gebrauchtes Auto im Wert von 5000 Euro umstieg und rechnete den Restwert in das Vermögen ein. Das überstieg mit dem Sparvermögen den Vermögensfreibetrag.
Ein "angemessenes Fahrzeug" orientiert sich an den Lebensumständen des ALG-II-Empfängers, stellte das Aachener Sozialgericht fest. Grundlage ist das vernünftige Verhalten eines Menschen mit einem Einkommen in Höhe des Arbeitslosengeldes II. Der würde nach Auffassung des Gerichts ein relativ hochwertiges Auto gegen ein zuverlässiges, aber preiswerteres Auto eintauschen. Ein gebrauchtes Auto mit einem Wert von 7500 Euro hielt das Gericht für zumutbar. Die Berufung ist zugelassen.
SG Aachen, Urt. v. 22.11.2005 - S 9 AS 31/05 -- dpa-Meldung v. 22.11.2005 ALG II: Eigenheimzulage kein anrechenbares Einkommen bei ALG II & Angemessenheit von Wohnung und Auto Bei der Bemessung von Arbeitslosengeld II ist die Eigenheimzulage kein anrechenbares Einkommen. Außerdem ist eine selbstbewohnte Eigentumswohnung mit 120 qm und ein Auto im Wert von unter 10.000 Euro nicht unangemessen.
Die Antragstellerin lebt mit ihrem 16-jährigen Sohn in einer 1999 erworbenen Eigentumswohnung. Sie bezog bis Januar 2005 Arbeitslosengeld. Nach Erschöpfung des Anspruchs beantragte sie Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Die Gewährung von Arbeitslosengeld II (ALG II) lehnte der angegangene Leistungsträger ab. Nachdem der hiergegen eingelegte Widerspruch erfolglos geblieben war, erhob die Antragstellerin Klage und beantragte beim Sozialgericht zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Sozialgericht verpflichtete den Leistungsträger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, bis zum Abschluss des Klageverfahrens ALG II zu gewähren.
Die Antragstellerin hat sich mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss gewandt, vor allem weil die ihr gewährte Eigenheimzulage anspruchsmindernd berücksichtigt worden ist. Auch der Antragsgegner, der Leistungsträger, hat Beschwerde eingelegt, denn die Antragstellerin verfüge noch über ein Auto mit einem Zeitwert von 9.786 Euro, der die Grenze von 5.000 Euro eines noch angemessenen Pkw übersteige. Außerdem müsse die Antragstellerin ihre Eigentumswohnung verkaufen, da diese nach den Richtlinien des Landkreis- und Städtetages eine für eine vierköpfige Familie gedachte Grundfläche von 120 qm habe. Bei einem zweiköpfigen Haushalt seien nur 80 qm angemessen.
Der 7. Senat des LSG hat der Beschwerde der Antragstellerin weit gehend stattgegeben und den Leistungsträger mit einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, ALG II ohne Anrechnung eigenen verwertbaren Vermögens oder Einkommens zu gewähren.
Die von der Antragstellerin und ihrem Sohn bewohnte Eigentumswohnung muss nicht zur Bedarfsdeckung verkauft werden. Ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe gehört zum sog. Schonvermögen, so das Gericht in seiner Begründung, auf den Wert des Hausgrundstückes kommt es dabei nicht an. Auch ist die Eigentumswohnung nicht unangemessen groß. Nach dem zwischenzeitlich außer Kraft getretenen 2. Wohnungsbaugesetz sind Eigentumswohnungen bis zu 120 qm mit öffentlichen Mitteln gefördert und daher als angemessen angesehen worden. Eine Reduzierung der Wohnfläche ergibt sich aus dessen Vorschriften nicht.
Auch kann nach Ansicht des Gerichts die Verwertung des vorhandenen Pkw, der die vom Leistungsträger angegebene Wertgrenze von 5.000 Euro übersteigt, nicht gefordert werden. Fahrzeuge bis zu einem Wert von unter 10.000 Euro sind nicht unangemessen. Gerade im ländlichen Bereich ist der Arbeitslose bei der vom Gesetz betonten Eigenverantwortung und dem Grundsatz des Forderns der Arbeitssuche auf ein Kraftfahrzeug angewiesen. Fahrzeuge mit äußerst geringem Wert sind in der Regel ältere und damit reparaturanfällige Modelle.
Außerdem stellt das Gericht klar, dass die der Klägerin gewährte Eigenheimzulage nicht als berücksichtigungsfähiges Einkommen angerechnet werden darf. Nach dem alten Sozialhilferecht ist das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anders gewesen. Bei der geänderten Rechtslage gehört die Eigenheimzulage aber als einer anderen Zweckbestimmung als die Leistungen nach dem SGB II unterliegende Einnahme nicht mehr zum anrechenbaren Einkommen. Sie dient nach dem Eigenheimzulagengesetz der Schaffung von Wohnraum für bestimmte Bevölkerungsschichten und nicht der Sicherung der Wohnung als Lebensmittelpunkt, wie die Unterhaltssicherung nach dem SGB II. Wird die Eigenheimzulage - wie vorliegend - tatsächlich für den vorgesehenen Zweck (hier: Dachsanierung) verwendet, darf eine fiktive Anrechnung der Einmalzahlung auf die im entsprechenden Jahr anfallenden Folgemonate nicht erfolgen.
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -- PM des LSG Baden-Württemberg v. 01.08.2005 / dpa v. 01.08.2005 ALG II: Leistungsempfänger muss Mittelklasseauto nicht verkaufen Wer nach einem Jobverlust zum Bezieher von Arbeitslosengeld II (sog. Hartz IV) wird, muss sein Auto nicht unbedingt verkaufen. Die Arbeitsagenturen dürfen nicht pauschal einen Wert von bis zu 5.000 Euro als angemessen für ein Auto ansetzen. Zumindest ein Mittelklassewagen ist nicht als Vermögensgegenstand, sondern als Verkehrsmittel zu werten.
Der Kläger begehrte Arbeitslosengeld II. Dies wurde ihm aber seitens der Arbeitsagentur verweigert, weil er nicht hilfsbedürftig sei. Der Kläger habe nicht alle Möglichkeiten zur Beendigung und Verringerung seiner Hilfsbedürftigkeit ausgeschöpft. Sein Pkw (VW Beetle) stelle kein angemessenes Kfz für einen Hilfsbedürftigen dar, weil nur ein Zeitwert von ca. 5.000 Euro als angemessen angesehen werden könne. Dem Kläger sei es zumutbar, seinen deutlich wertvolleren Pkw zu veräußern, um sich ein angemessenes Auto anzuschaffen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
Das Sozialgericht hat entschieden, dass der Mittelklassewagen des Klägers als angemessen anzusehen und von der Verwertung auszunehmen ist. Es kann nämlich keine starre Wertgrenze für das Kriterium "angemessen" geben. Im Bereich der Arbeitslosenhilfe wurde ab 1. Januar 2002 ein angemessenes Kfz generell nicht mehr als Vermögen berücksichtigt. Diese Regelung wurde auch für das SGB II übernommen. Der Gesetzgeber hat damit der Tatsache Rechnung getragen, das im Zuge der allgemein gestiegenen Mobilität der Arbeitnehmer und der gestiegenen Zumutbarkeitsanforderungen immer mehr Arbeitnehmer weitere Strecken zurücklegen müssen, um ihre Arbeitsstelle zu erreichen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass viele Betriebe in Gewerbegebieten oder Stadtrandlagen angesiedelt sind und Arbeit im Schichtsystem geleistet werden muss, so dass eine Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln oftmals nicht gewährleistet ist.
Deshalb wird nach Aussage des Gerichts das Auto nicht als Vermögensgegenstand sondern als Verkehrsmittel geschützt. Angemessen ist damit ein Kfz, dass ein zuverlässiger, möglichst wenig reparaturanfälliger, sicherer und arbeitstäglich benutzbarer Gebrauchsgegenstand ist, der weder übertriebenen Luxus, noch eine deutlich über dem Durchschnitt liegende Motorleistung (hier: 85 kW, Automatikgetriebe) aufweist. Vor diesem Hintergrund in aller Regel ein Mittelklassefahrzeug, das bereits definitionsgemäß nicht als Luxusgegenstand eingestuft wird, mit mittlerer Motorisierung als angemessen anzusehen.
Dem aktuellen Fahrzeugwert kommt demgegenüber keine allein ausschlaggebende Bedeutung zu. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es generell nicht sinnvoll erscheint und vom Gesetzgeber mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch nicht beabsichtigt war, die Leistungsberechtigten des SGB II zu veranlassen, ein solides, zuverlässiges und ihnen bekanntes Auto gegen ein geringer wertigeres, damit im Zweifel auch reparaturanfälligeres und mit dem Risiko unbekannter Mängel behaftetes KfZ einzutauschen.
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