Soziale Kompetenz wird heute in der Arbeitswelt groß geschrieben. Gute fachliche Kenntnisse reichen den meisten Arbeitgebern nicht mehr aus. Vielmehr wird erwartet, dass wir mit unseren Kollegen Gewinn bringend zusammenarbeiten. Dies war jedoch nicht immer so.
Was bedeutet soziale Kompetenz und warum hat sie in den letzten Jahren derart an Gewicht gewonnen? JobScout24 hat für Sie nachgefragt:
JobScout24: Was ist unter sozialer Kompetenz zu verstehen?
Myriam Bechtoldt: Trotz jahrzehntelanger Forschung gibt es keine allgemeingültig wissenschaftliche Definition sozialer Kompetenz. Einigkeit besteht darüber, dass sie zwei Komponenten umfasst:
Wahrnehmungskompetenz: Sozial kompetente Personen können soziale Interaktionen sehr gut analysieren. Handlungskompetenz: Sie können sich nach dieser Situationsanalyse zielorientiert verhalten, ohne die Interessen der Situationsbeteiligten zu übergehen.
Es muss grundsätzlich unterschieden werden, in welchem Zusammenhang der Begriff der sozialen Kompetenz genutzt wird. Die Mitarbeiterin einer Aids-Beratungsstelle muss über andere soziale Kompetenzen verfügen als die Leiterin einer Projektgruppe zur Einführung neuer Buchungstechnologien bei einer Fluggesellschaft. Soziale Kompetenz ist somit der Oberbegriff für eine Vielzahl von Einzelkompetenzen, die alle auf Wahrnehmungs- und Handlungskompetenz basieren.
JobScout24: Woher kommt die wachsende Bedeutung sozialer Kompetenzen? Dipl.-Psych. Myriam Bechtoldt
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johann Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt, Institut für Psychologie, Abteilung für Arbeits- und Organisationspsychologie
Myriam Bechtoldt: Soziale Kompetenzen gelten als "Schlüsselkompetenzen" im Berufsalltag. Dieser Begriff wurde 1974 vom damaligen Direktor des Forschungsinstituts der Bundesanstalt für Arbeit, Dieter Mertens, eingeführt. Berufliche Ausbildungsziele, so seine damalige Forderung, müssten den zunehmenden Wandlungsprozess der Arbeitsprozesse berücksichtigen. In den 60er Jahren genügte einmal erworbenes berufliches Fachwissen in viel stärkerem Ausmaß als heute, um das ganze Berufsleben "störungsfrei" einer Tätigkeit nachzugehen. Die Einführung neuer Technologien hat aber dazu geführt, dass Arbeitsabläufe ein hohes Ausmaß an Informationsaustausch, Koordinations- und Abstimmungsvorgängen verlangen. Außerdem lassen globalisierte Märkte den internationalen Austausch zwischen Organisationen und multikulturelle Teams innerhalb von Organisationen zur Gewohnheit werden. Fachliches Wissen ist dafür nicht ausreichend - daher auch die in den letzten Jahren gewachsene Bedeutung sozialer Kompetenzen.
JobScout24: Immer mehr Veranstalter bieten Seminare mit dem Thema soziale Kompetenz an. Müssen wir den Umgang mit andere Menschen heute erst lernen? Und war diese Kompetenz Arbeitnehmern früher angeborern?
Myriam Bechtoldt: Soziale Kompetenzen müssen bzw. können in der Tat gelernt werden. Gerade der Bereich interkultureller Kompetenzen, d.h. die Fertigkeit, mit Kollegen unterschiedlicher Nationen ergebnisorientiert zusammenzuarbeiten, setzt auch Wissen über fremde Kulturen voraus. Dieses Wissen kann natürlich erlernt werden. Arbeitnehmer der 60er Jahre waren in dieser Hinsicht nicht kompetenter, sondern sie benötigten diese Kompetenzen einfach weniger.
JobScout24: Frauen wird häufig soziale Kompetenz von Natur aus zugesprochen. Warum?
Myriam Bechtoldt: Frauen wird generell zugesprochen, beziehungsorientierter zu sein als Männer. Die Sozialisation verläuft bei Mädchen nach wie vor stärker beziehungsorientiert als bei Jungen.Tatsache ist jedoch, dass soziale Kompetenz im Umgang mit privaten Beziehungen etwas anderes ist als Soziale Kompetenz am Arbeitsplatz. Hier muss der Arbeitnehmer zielorientiert agieren, eigene Interessen durchsetzen, ohne die übrigen Beteiligten "vor den Kopf zu stoßen". Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Frauen in Tests zur sozialen Kompetenz am Arbeitsplatz besser abschneiden als Männer.
JobScout24 bedankt sich für die Antworten.
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Buchtipps zu diesem Thema:
Soziale Kompetenz. von Rudolf Donnert, TB, 96.S. 1999, Lexika-Verlag, ISBN 3896942425, 17,00 EUR
Von Führungskräften wird heute soziale Kompetenz gefordert. Mit Hilfe von Checklisten kann der Leser die eigenen Fähigkeiten prüfen und Defizite aufdecken. Praxisbeispiele helfen im Umgang mit Mitarbeitern.
Mit Soft Skills mehr erreichen. Trainieren Sie Ihre sozialen Kompetenzen. von Penny Schiffer und Boris von der Linde, 247 S. 2002, Moderen Industrie-Verlag, ISBN 347874217X, 15,90 EUR
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